Rollstuhl-Tanzen: Wettkampf-Comeback, Rücktritte und eine WM
Begonnen hatte das Jahr mit einer besonderen Veranstaltung: Ein Online-Wettkampf, ausgeschrieben vom Internationalen Paralympischen Committee World Para Dance Sport. Österreichs Nationalteam-Tänzerinnen Sanja Vukasinovic und Sabrina Gostner waren in der Disziplin Freestyle am Start.
„Wir sind dann Anfang Januar, als das mit dem Online-Wettkampf bekannt wurde, von 0 auf 100 wieder hoch. Das war schon anstrengend“, erzählt Trainerin Kerstin Govekar. Innerhalb von 8 Wochen wurde sowohl das Freestyle-Programm von Gostner bis auf das kleinste Detail aktiviert und bei Vukasinovic eine neue Choreografie erarbeitet und mit einem neuen Wettkampfrollstuhl perfekt umgesetzt – eine große Herausforderung für Sportlerin und Trainerin.
Das neue Format versprach viel Spannung, aber auch eine aufwendige Vorbereitung. „Wir mussten alles online aufzeichnen, das war natürlich neu für uns: Kamera einstellen, alle Vorgaben einhalten und sonstiges“, schildert Govekar. Die größten Umstellungen waren das fehlende Publikum und die Möglichkeit, einen Tanz öfter aufzeichnen zu können. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Vukasinovic tanzte auf Platz vier, Gostner wurde Sechste (von insgesamt 24 internationalen Starterinnen).
Das große Highlight im Sommer
Nach dem neuartigen, aber erfolgreichen Start ins Jahr mussten Österreichs Tänzer:innen bis August warten, bis sie dann endlich wieder in Präsenz an einem internationalen Wettkampf teilnehmen konnten. Dafür ging es nach Tschechien, zur Prague 2021 Para Dance Sport International Competition. Der schönste Moment in diesem Jahr für das Nationalteam, wie Govekar erzählt: „Wieder zu einem Wettkampf zu reisen und zu realisieren, dass es jetzt wirklich wieder losgeht. Das war ein total toller Moment.“
In Prag starteten wieder Vukasinovic und Gostner für Österreich – in jeweils zwei Disziplinen: Der Single-Bewerb besteht aus zwei Standard- und drei Lateintänzen und im Freestyle-Wettkampf wird ein selbst ausgewähltes Thema mit einer eigenen Choreografie begleitet.
„Ich glaube für die beiden Mädels war das dann auch so greifbar in dem Moment, wo sie aufgerufen wurden mit ihren Namen und dem Land. Und sie gehen dort raus auf die Tanzfläche, dürfen sich vorstellen und dann geht der Tanz los. Ich glaube, das ist dieses greifbare Gefühl: Es geht wieder los!“ – Rollstuhl-Tanz-Trainerin Kerstin Govekar
Die Freude an der Rückkehr auf das Parkett war auch an den Platzierungen der beiden Österreicherinnen zu sehen: Vukasinovic holte Bronze im Single und Silber im Freestyle. Gostner erreichte Platz vier im Single-Bewerb und im Freestyle den starken fünften Platz. Trainerin Govekar war mit ihren Tänzerinnen zufrieden: „Es sind alle Leistungen super zu bewerten: Silber und Bronze gewonnen und Sabrina (Gostner, Anm. d. Red.) ist zum ersten Mal mit ihrem Freestyle-Programm aufgetreten.“
Rückschläge im Team
Doch es gab nicht nur angenehme Phasen in diesem Sommer. Noch vor dem Turnier in Prag erklärte Tänzer Markus Madl, dass er seine Sportkarriere bis Ende des Jahres aus familiären Gründen pausieren muss. Madl ist Teil des Sichtungspools des Nationalteams und hätte in Prag tanzen sollen. Der nächste Rückschlag ereignete sich beim Turnier in der tschechischen Hauptstadt: Die zweifache Mutter Gostner erklärte ebenfalls aus familiären Gründen ihren Rücktritt aus dem Rollstuhl-Tanzsport. Der Nationalteam-Kader schrumpfte weiter.
Der Weg zur WM
Nach den zwei Rücktritten hält Vukasinovic die österreichische Fahne bei internationalen Wettkämpfen hoch. Für die amtierende Vizeeuropameisterin ist die Weltmeisterschaft Ende November in Korea das große Ziel. Sie wird im Single Women und im Freestyle antreten. Premiere bei der WM hat auch Bundestrainer und IPC-Wertungsrichter Diethard Govekar. Nach seinem Debüt als Chairman beim Wettkampf in Prag wurde er vom IPC berufen, ebenfalls die WM als Chairman zu leiten. Dies ist auch für das gesamte österreichische Team eine große Auszeichnung.
Den letzten Feinschliff für die WM wird sich Vukasinovic Anfang Oktober in Warschau holen. Ein wichtiger Wettkampf am Weg zur WM, vor allem da er mit Zuschauer:innen stattfindet: „Sie (Vukasinovic, Anm. d. Red.) braucht das Publikum, alles andere passt: Die Choreos passen, die Basics passen, die Kondition passt, aber den Fokus finden nach außen, wieder mit dem Publikum zu spielen, das muss man wieder lernen“, erklärt Govekar, warum der Wettkampf in Polen so wichtig für die WM ist. Mit den gewonnenen Erfahrungen soll es dann auch in Korea für die vorderen Plätze reichen. Denn auch kleine Teams können große Geschichten im Sport schreiben.
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