Leichtathletik: Die drei Muskeltiere
Muskelaufbau am Rande Wiens
In Franzensdorf, keine 10 Kilometer von der Wiener Stadtgrenze entfernt, hat der ehemalige Olympionike und jetzige Sporttherapeut und Krafttrainer, Gerhard Mayer, sein Trainingscenter eingerichtet. Darin befindet sich alles, was das Sportlehrherz begehrt und benötigt. Ein Squat-Rack für Kniebeugen, Klimmzüge und Bankdrücken, Gewichtsscheiben, Hanteln, Gymnastikbälle – kein Schnickschnack. An der Wand hängen Fußballtrikots von Spielern, die Mayer in seiner Laufbahn als Therapeut begleitet hat.
„Der Gerhard ist der beste Trainer, den man sich vorstellen kann“, stellt Diskuswerfer Bil Marinkovic gleich zu Beginn klar. Dem kann Kugelstoßer Georg Schober nur zustimmen. Die beiden Kraftlackl streuen ihrem Coach Rosen, der die Komplimente nur erwidern kann. Der Schmäh rennt, die Stimmung ist entspannt und dennoch sind alle im Raum auf das Wesentliche fokussiert: knallhartes Training.
Mission Paralympics
Bil Marinkovic hat sein Ticket für die Paralympics 2024 in Paris bereits fix. Mit seinem vierten Platz bei der WM im Sommer 2023 löste er ein Jahr davor die Fahrkarte Richtung Frankreich. Die Spiele in Paris sind bereits die 7. Paralympics, an denen der Wiener teilnimmt: „Ich bin seit 1999 dabei, bin gut drauf. Von den Plätzen 3 bis 7 ist in Paris alles möglich, also auch eine Medaille.“ Marinkovic feierte im August seinen 50. Geburtstag, dementsprechend haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auch die Trainingsmethoden geändert: „Wir trainieren derzeit weniger Kraft und legen den Fokus vermehrt auf die Beweglichkeit und die Stabilität“, erklärt Coach Mayer. Für Marinkovic stehen heute Core-Übungen am Programm. Auf gut Deutsch: Übungen, die Rücken, Bauch und Taille ansteuern.
Georg Schober hat in seiner ersten Saison beim Kugelstoßen das Limit für die Paralympics bereits mehrfach pulverisiert und hofft noch auf einen Quotenplatz. „Derzeit befinde ich mich im Masse- und Kraft-Aufbau. Ich hab in den letzten Monaten viel Gewicht zugenommen, wiege jetzt 96 Kg. Je mehr ich auf die Waage bringe, umso besser.“ Schober startet mit schweren Kniebeugen. „Aufgrund der Amputation und seiner Prothese haben wir erst die richtige Position finden müssen“, erklärt Coach Mayer und zeigt die Lösung auf „Georg hat den linken Fuß jetzt ein Stück weit weiter vorne. Damit kann er beide Oberschenkel gleich gut ansteuern.“ Eine enorm wichtige Geschichte, denn „90 Prozent kommen beim Kugelstoßen aus den Beinen“, so Schober. Schweres Bankdrücken und Klimmzüge mit Gewichten runden ein anspruchsvolles Training für Schober ab.
Der Nachwuchs als Ansporn
Wer der Kugelstoß-Elite beim Werfen zusieht, merkt schnell, dass die Athletinnen und Athleten auf eine schlanke Linie keine Rücksicht nehmen können. Schober muss deshalb flüssige Kalorien zu Hilfe nehmen: „Ich mach mir jeden Tag einen 1000-Kalorien-Shake, damit ich genug zu mir nehme. Selbst wenn ich wie ein Wal aussehe, Hauptsache die Kugel fliegt weit. Und meiner Frau gefalle ich trotzdem.“ Dass das Paar demnächst Nachwuchs erwartet, unterstreicht Schobers Aussage.
Die Angst vor schlaflosen Nächten und damit verbundenem Leistungsabfall nimmt ihm Routinier Marinkovic: „2007 ist mein Sohn auf die Welt gekommen, das war mein stärkstes Jahr überhaupt. Ich bin Sportler des Jahres und Weltmeister geworden.“
In den kommenden Monaten stehen für die beiden wichtige Wettkämpfe am Programm, im Mai wartet die WM in Japan. Bis dahin wird das Team Marinkovic, Schober, Mayer an den wichtigsten Schrauben drehen und weiterhin hart für ein erfolgreiches Jahr 2024 arbeiten.