Echte Handarbeit am Weißen Hof
Echtes Handwerk
Im AUVA Rehabilitationszentrum Weißer Hof befindet sich eine eigene Werkstatt für Prothesen, die Orthopädietechnik. Wer 3D-Drucker oder automatisierte Roboterarme sucht, sucht vergeblich. Hier fertigen die Techniker jedes Unikat mit Geduld und viel Geschick von Hand an.
Die Orthopädietechnik ist ein wahres Museum und gleichzeitig ein Blick in die Zukunft. Neben einer uralten Holzprothese aus antiken Zeiten stehen modernste Versionen, gefertigt aus leichtesten Metallbauteilen und mittels kompliziertester Technik für die Patienten optimiert.
„Unsere Arbeit startet immer mit einem Modell des Stumpfes, das ist der Grundbaustein einer jeden Prothese“, erklärt uns Orthopädietechniker Philip Freundlinger anhand einer Beinprothese, „der Patient zieht seinen Liner an und wir wickeln Gipsbinden darüber. Sobald der Gips ausgehärtet ist, ziehen wir es wieder herunter und haben das Gipsnegativ.“
Eine Arbeit, die mitunter mehrmals passiert: „Bis eine Prothese wirklich sitzt, vergeht einiges an Zeit“, verrät Techniker. „Nach der ersten Versorgungen des Stumpfes nach einer Amputation, ist dieser noch angeschwollen. Die Schwellung nimmt im Lauf der Zeit immer mehr ab und so müssen auch die Prothesen immer wieder angepasst werden.“
Aus Negativ wird Positiv
Um ein exaktes Stumpf-Modell zu bekommen, wird das Gipsnegativ anschließend mit flüssigem Gips ausgegossen. „Dadurch bekommen wir eine exakte Kopie des Stumpfes, mit der wir in Ruhe arbeiten können. Wir nehmen drei Maße vom Stumpf ab, im unteren Bereich, im oberen und ganz wichtig unter der Kniescheibe. Wir wollen den Stumpf mit dem Prothesenschaft abfangen, damit er nicht unten ansteht. Der Knochen ist durchgeschnitten. Wenn dieser ständig unten anstehen würde, bohrt er sich ins Fleisch und verursacht Schmerzen“, so Freundlinger
Damit die Prothese stabil sitzt und der Patient stabil stehen kann, muss der Prothesenschaft wirklich gut ins Bein drücken: „Ganz am Anfang ist natürlich der Oberschenkelmuskel aufgrund des Aufenthaltes im Spital sehr geschwächt. Und wir müssen auf Punkte wie das Wadenbeinköpfchen achten, da verläuft ein Nerv, da sollte es auch nicht drücken“, erklärt der Orthopädietechniker die Feinheiten.
Um den Schaft herzustellen, nutzen die Techniker meist ein einfaches Verfahren: „Wir ziehen mehrere Strümpfe über das Gipsmodell und anschließend eine Kompressionsfolie. Diese wird mittels Vakuum angesaugt. Wir tränken die Strümpfe in Siegelharz. Dieses härtet mittels eines Härtepulvers aus. Dann lösen wir das Ganze vom Gipsmodell und schon hab ich den Schaft. Und da steigt der Patient dann hinein. Das Material ist leicht, kann aber auch starken Belastungen standhalten. Dazu ist es durchsichtig und ich kann gut sehen, wo vielleicht noch Handlungsbedarf besteht“, erklärt uns Philip Freundlinger.
Mit der ersten Fertigstellung der Prothese beginnt für die Patienten ein steiniger Weg. In der Gangschule lernen sie Schritt für Schritt den Umgang mit ihrer neuen Gehhilfe. Immer wieder werden die Prothesen dabei neu angepasst, um die Fortschritte so gut es geht zu unterstützen. Sportliche Höchstleistungen sind am Anfang ohnehin nicht eingeplant „Von Sportprothesen, wie wir sie von den Paralympics kennen, sind wir hier noch weit entfernt. Wir arbeiten hier rein mit Therapie-Prothesen. Wenn der Bedarf besteht, werden diese nach der Reha von externen Firmen herstellt. Wenn gewünscht, stellen wir natürlich unsere Gipsmodelle zur Verfügung. Unsere Prothesen verlassen die Rehaklinik aber nicht“, so der Orthopädietechniker abschließend.
Aller Anfang ist schwer
David Toth ist einer der Coaches am Weißen Hof, der die Patientinnen und Patenten geduldig und mit viel Feingefühl an Sport und Bewegung heranführt: „Es ist sehr selten, dass Patientinnen und Patienten von Anfang den großen Wunsch verspüren, gleich mit Sport loszulegen. Dafür sind sie anfangs noch zu instabil mit ihren Prothesen. Außerdem haben sie nach der Amputation genug andere Dinge im Kopf, mit denen sie sich beschäftigen müssen.“
Dennoch bieten die AUVA Rehakliniken viele Möglichkeiten an, sich an sportliche Aktivitäten heranzutasten: „Nachdem die Patientinnen und Patienten die Gangschule absolviert haben, starten wir im Haus mit einfachen Sportarten, wie Federball oder Badminton und Tischtennis. Also Sportarten, die man im Stehen absolvieren kann und sich nur leicht hin und her bewegt, wenig Schritte machen muss. Wir bieten Krafttraining an und dann später, wenn Interesse da ist, Leichtathletik. Sprich Diskus- und Speerwerfen oder Kugelstoßen. Wenn der Stumpf dann schon etwas gefestigter ist Tennis und Radfahren.“
Fitness und Basketball mit Coach Zankl
Einmal die Woche treffen sich ehemalige Patientinnen und Patienten am Weißen Hof, um gemeinsam einen Kraftzirkel zu absolvieren und anschließen Rollstuhl-Basketball zu spielen. Die Organisation und die Aufsicht über das Training übernimmt Andi Zankl, langjähriger Trainer am Weißen Hof und Erfolgscoach des Rolli-Basketball-Serienmeisters, Sitting Bulls.
45 Sekunden Arbeit, 15 Sekunden Pause, 3 Sätze und schon geht es zum nächsten Gerät. Die Sportlerinnen und Sportler trainieren so jede Muskelgruppe, ihre Ausdauer und Kraft: "Wir wollen durch regelmäßiges Training die Muskulatur aufbauen und auch erhalten. Zusätzlich fördern die Übungen die Beweglichkeit und Stabilität, was für Sportlerinnen und Sportler mit Prothesen enorm wichtig ist. Beim Rollstuhl-Basketball kommen alle zusammen: Aktive mit einer Amputation, mit einem Querschnitt - alle können gemeinsam Sport und Bewegung machen. Das ist eine coole Sache."