Paralympics - Goldene Zeiten?
Christoph Etzlstorfer ist seit Jahrzehnten eine fixe und bedeutende Größe im Behindertensport. Sein größter Erfolg: Gold im Zeitfahren der Paracycler bei den Spielen 2004 in Athen. Davor war Etzlstorfer in der Leichtathletik unterwegs, und auch da mischte er in der Weltspitze mit. Heute ist Etzlstorfer Vize-Präsident beim ÖBSV sowie Obmann und Trainer beim RSC heindl OÖ, jenem Verein, bei dem die Medaillen-Gewinner im Paracycling, Walter Ablinger, und im Triathlon, Florian Brungraber, sowie die Tokio-Teilnehmer Elisabeth Egger, Mendy Swoboda und Ernst Bachmaier trainieren.
ÖBSV: Christoph, wem ist der Erfolg in Tokio zuzuschreiben?
Etzlstorfer: Damit Sportlerinnen und Sportler Medaillen gewinnen, legen die Verbände, also die Fachsportverbände und der ÖBSV, und die Vereine die Basis. Aber: Ohne Eigeninitiative, Zielstrebigkeit und Ehrgeiz der einzelnen Athletinnen und Athleten gewinnt man kein Edelmetall. Die Paracycler und der Triathlet Florian Brungraber sind die besten Beispiele dafür.
Bleiben wir gleich bei Paracycling und Triathlon – diese zwei Sportarten sind inkludiert. Wie verläuft die Entwicklung in deinen Augen?
Dass Florian Brungraber zum Triathleten des Jahres gewählt wurde und es keine eigenen Kategorien mit bzw. ohne Behinderung gibt, zeigt, dass im Triathlonverband Inklusion tatsächlich gelebt wird. Auch der Empfang in Brungrabers Heimatgemeinde wurde vom Triathlonverband organisiert. Der Radsportverband hat einen eigenen Referenten für Paracyling, es gibt inkludierte Trainingslager, wie im Herbst auf Mallorca, daran zeigt sich ebenfalls, die Sache wird voll genommen.
Wie siehst du die Entwicklung in der näheren Zukunft – also die Spiele 2024 und 2028?
Da wird wieder viel Arbeit vom ÖBSV geleistet werden. Das Heranführen an Leistungssport, der Beginn mit organisiertem Training, all das findet in Vereinen statt, was eher der Mitgliedschaft beim ÖBSV als bei den Fachsportverbänden zuzuschreiben ist – so sehe ich das zumindest bei meinem Verein, dem RSC heindl OÖ.
In einer traditionell starken Disziplin Österreichs, der Leichtathletik, schaute heuer keine Medaille raus. Dazu sind Geierspichler, Marinkovic und Eder keine Jungspunde mehr.
Die drei haben in der Vergangenheit großartige Erfolge gefeiert. Sie sind ausgereifte Sportlerinnen und Sportler. Um wieder in Medaillennähe zu kommen, müssen sie eine Möglichkeit für einen weiteren Schritt in der Entwicklung finden. Das ist erfahrungsgemäß schwierig, weil sie sicher auch bisher schon an ihre Grenzen gegangen sind. Genau deswegen bin ich selber damals nach fünf paralymischen Spielen als Leichtathlet aufs Handbike gewechselt und konnte dadurch in einer neuen Sportart in die Weltspitze vorstoßen.
Es fehlt auch an Nachwuchs in der Leichtathletik. Warum ist das so?
Leichtathletik, egal welche Disziplin, ist ein sehr trainingsintensiver Sport. Wenn du keine Trainingsgruppen findest, und davon haben wir in Österreich derzeit zu wenig, ist der Einstieg schon sehr schwer. Wie und wo soll ich etwa mit Rennrollstuhl- Fahren beginnen, wenn es weder Gerät noch Trainer oder Mentoren dafür gibt? Manche kleinen Nationen schaffen das besser, andere wieder nicht. Das ist etwa der Grund, warum eine unserer Nachwuchs-Hoffnungen, Ludwig Malter, oft in der Schweiz trainiert – dort ist die Rennrollstuhl-Szene so stark wie bei uns das Paracycling.
Wie beurteilst du als ÖBSV-Vize die Leistungen des Schwimm-Teams?
Janina Falk und Andreas Ernhofer sind noch sehr jung, sie haben noch viele Möglichkeiten zur Entwicklung. Die zwei werden sich weiter steigern, Trainingsjahre und Wettkampferfahrung sammeln und dadurch besser werden. Andreas Onea ist eher schon in der Situation der Leichtathleten, also ein ausgereifter Sportler, wo das Verbesserungspotenzial naturgemäß kleiner ist.
Was sind deine persönlichen Visionen für eine erfolgreiche paralympische Zukunft?
Der erste Schritt ist die Bildung von Trainingsgruppen. Damit profitieren die Sportler nicht nur vom Trainer, sondern auch vom Erfahrungsaustausch untereinander. Wichtig wäre eine verstärkte Kooperation mit Reha-Zentren der AUVA (nach dem Vorbild der Schweiz in Nottwil). Als Fernziel wäre eine Kombination aus Ausbildung und Sport wie etwa ein Stipendium für Nachwuchs- Behinderten-Sportlerinnen und -Sportler, oder/und ein Sportzentrum für alle Leistungsstufen (wie an der Universität von Illinois in den USA) ideal.
Christoph, danke für das Gespräch
Tokio 2020 – Die Bilanz
Die Paralympischen Spiele in Tokio wurden aufgrund der Pandemie von 2020 auf 2021 verschoben. Neun Medaillen bringt das rotweißrote Team aus Tokio mit heim, wie schon vor fünf Jahren bei den Spielen 2016 in Rio. Man bilanziert mit einmal Gold, fünfmal Silber und dreimal Bronze. Herausragend dabei die Paracycler, die für sechs der neun Medaillen zuständig sind, und mit Walter Ablinger auch die Goldene stellen. Die vom ÖBSV entsendenden Sportlerinnen und Sportler holten erstmals seit langem keine Medaillen. Natalija Eder wurde in ihrer Paradisziplin, dem Speerwurf, Vierte. Einen tollen vierten Platz holte sich auch Thomas Geierspichler über die 1500 Meter im Rennrollstuhl. Bil Marinkovic schleudert den Diskus auf Platz fünf. Aus dem Schwimm- Trio Janina Falk, Andreas Onea und Andreas Ernhofer erreicht einer ein Finale: Ernhofer wird über seine Lieblingsstrecke, die 50 Meter Brust, Achter. Für den ÖBSV haben die Medaillen und die großartigen Ergebnisse des Teams einen besonderen Wert – sind doch erfolgreiche Spitzen-Sportlerinnen und -Sportler immer auch Motivation für alle, die Breitensport betreiben.
Die Medaillen im Detail
Walter Ablinger, Paracycling: Gold, Einzel-Zeitfahren, und Bronze, Straßenrennen
Thomas Frühwirth, Paracycling: Silber, Einzel-Zeitfahren, und Silber, Straßenrennen
Alexander Gritsch, Paracycling: Silber, Einzel-Zeitfahren, und Bronze, Straßenrennen
Florian Brungraber, Triathlon: Silber
Pepo Puch, Dressurreiten: Silber, Indiviual Test, und Silber, Individual Freestyle Test
Offizielle Seite Tokio 2020
Offizielle Seite Peking 2022
Seite des ÖPC