Im Training pushen wir uns gegenseitig
Ab 9. September steigt die Para-Schwimm-Weltmeisterschaft in London. Mittendrin: Sabine Weber-Treiber und Andreas Ernhofer. Der Österreichische Behindertensportverband sprach vor dem Mega-Event mit der mehrfachen Medaillen-Gewinnerin und dem Überraschungsmann der EM 2018.
Sabine, du hast dich gemeinsam mit Andi mit einem Trainingslager auf die WM vorbereitet. Wie ist es gelaufen?
Sabine Weber-Treiber: Ein Trainingslager bringt für mich immer den Vorteil, dass ich mich abseits des Alltags einfach nur aufs Training konzentrieren und auf den Wettkampf fokussieren kann. Die Bedingungen waren optimal, ich schaue positiv Richtung London.
Andi, wie war‘s für dich?
Andreas Ernhofer: Es war großartig! Sabine und ich trainieren ja fast immer gemeinsam. Wir besprechen uns in den Pausen und ich hole mir viele Tipps, das ist super.
Wie profitiert ihr vom gemeinsamen Training?
Sabine: Mir bringt es viel Struktur! Außerdem hat Andi ein unglaubliches Auge für Details. Er sieht Sachen, die mir selbst nicht auffallen. Im Training pushen wir uns dann gegenseitig und geben uns Halt, der uns im Wettkampf zu Gute kommt. Das ist unbezahlbar!
Andreas: Ich kann Sabine voll zustimmen: Zu zweit hat man im Training und im Wettkampf riesige Vorteile. Ich weiß genau, dass ich immer zu ihr kommen und sie etwas fragen kann. Sie hilft mir dann mit ihrer Erfahrung weiter, was ich ändern kann. Sabine hat eine beruhigende Wirkung auf mich und ist eine riesige Stütze.
Begonnen hat alles im AUVA-Rehabilitationszentrum Weißer Hof.
Andreas: Ja, Sabine war die erste Person, die mit mir über den Schwimmverein geredet hat. Als sie mir dann von ihren Erlebnissen bei den Paralympics erzählt hat, haben die Sterne in meinen Augen gefunkelt und ich habe sofort gewusst: Das will ich auch erleben!
Sabine: Andi hat die optimalen körperlichen Voraussetzungen zum Schwimmen. Er ist riesengroß, hat lange Arme, große Hände. Das, was Leute wie ich durch harte Arbeit kompensieren müssen, wurde ihm in die Wiege gelegt. Außerdem war er schon vor seinem Unfall sehr sportlich.
Dann stand der Schwimmer-Karriere ja nichts im Wege, oder?
Sabine: Ich hatte natürlich schon Bedenken, weil Andi seinen Unfall im Wasser hatte. Das kostet dann doch gewisse Überwindung und mentale Stärke, dass man sagt: Ich steige trotzdem in den Schwimmsport ein und trainiere für Wettkämpfe.
Andreas: Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass es mich komplett kalt gelassen hat. Natürlich hat man das im Hinterkopf. Ich wäre ja bei meinem Unfall ohne Hilfe ertrunken. Ich habe aber gottseidank nie Panik im Wasser entwickelt und versucht, schon in der Reha schnell ins Becken zu kommen. Ich wollte es locker sehen, im Prinzip hat mir das Wasser ja nichts getan. Nach den ersten Trainings hatte ich dann auch schnell Spaß und wollte unbedingt weitermachen.
Die Erfolge haben sich unfassbar schnell eingestellt: Hättest du ihm das damals schon zugetraut, Sabine?
Sabine: Andi und ich haben viele Parallelen, auch wenn uns altersmäßig Einiges trennt. Mir ging es ähnlich: Ich war zuvor auch sehr sportlich und habe mich schnell im Schwimmsport gut zurechtgefunden. Ich habe drei Jahre gebraucht, bis ich an meinen ersten Paralympics teilgenommen habe, bei Andi wird es nicht viel mehr sein.
Du stehst gerade vor einigen Herausforderungen, richtig?
Sabine: Meine Tochter fängt mit der Schule an, da gibt es viele neue Routinen, die sich einspielen müssen. Das ist herausfordernd für mich, schließlich investiere ich schon seit zwölf Jahren viel Energie in den aktiven Schwimmsport. Ich habe deshalb gesagt: Wenn ich die Quali für die Paralympics in Tokio 2020 schaffe, lege ich noch einmal Alles in das nächste Jahr hinein, um meinen olympischen Medaillentraum zu verwirklichen.
Andreas, deine erste WM steht bevor. Bei der EM 2018 in Dublin bist du als absoluter Rookie voll durchgestartet und hast Bronze über 50 Meter Brust geholt.
Andreas: Ja, das war komplett gestört, das Ergebnis! Es passierte einfach völlig unerwartet. Jetzt bei der WM bin ich natürlich wieder nur ein kleines Würschtl zwischen sehr vielen erfahrenen Schwimmern. Ich mache mir keinen Druck, sondern fahre mit Freude aufs Schwimmen hin. Ich würde natürlich gerne ins Finale kommen, alles darüber hinaus wäre ein Traum. Die Bewerbe sind schon fast alle ausverkauft, das wird ein Mega-Event.
Wie schaut‘s bei dir aus Sabine?
Sabine: Meine Saison war leider etwas durchwachsen. Ich würde daher gerne mein Olympia-Limit bestätigen sowie die Nationenquote und das MET (Minimum Entry Time) erschwimmen. Nächstes Jahr habe ich dann eine Re-Klassifizierung, weil jene vom letzten Jahr keinen permanenten Status hervorgebracht hat. Realistisch gesehen glaube ich nicht, dass ich wie 2017 eine Goldmedaille mit nach Hause nehme.
Ursprünglich hätte die WM in Malaysia stattfinden sollen. (Anmerkung der Redaktion: Da man israelische SportlerInnen nicht einreisen lassen wollte, wurde mit London ein anderer Gastgeber bestimmt)
Sabine: Für mich war das ein absoluter Glücksfall! Ich wäre aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Malaysia gefahren, das wäre zu großes Risiko gewesen. London ist mit perfekter Infrastruktur gesegnet, außerdem ist es ein schnelles Becken, mit dem ich noch eine Rechnung offen habe. Es gibt außerdem ein Becken nur zum Einschwimmen, das ist auch ein riesiger Vorteil.
Andreas: In meinem Kopf macht es keinen Unterschied, an welchem Ort ich starte. Ich schwimme dort wie da gerne.
Wer unterstützt euch vor Ort?
Sabine: Als Headcoach fährt Gerhard Pukl mit, er ist ja der Trainer von Andreas Onea. Mich kennt er ja auch schon sehr gut, er begleitet mich seit 2012. Er hat sich viel mit uns auseinandergesetzt und mit unserem Trainer Andreas Rosenberger korrespondiert.
Andreas: Mit ist auch Stefan Ernhofer, er ist mein Cousin. Er ist ein Top-Physiotherapeut und wird dafür sorgen, dass wir immer fit sein werden.
Ist es für euch etwas Besonderes, die rot-weiß-rote Fahne hochzuhalten?
Andreas: Auf jeden Fall! Österreich bei einem Großereignis zu repräsentieren, bei dem die ganze Welt zuschaut, ist großartig.
Wie entwickelt sich das Leistungsniveau in den letzten Jahren?
Sabine: Es kommen unglaublich viele junge SchwimmerInnen nach, weil die Nachwuchsarbeit forciert wird. Ich fühle mich da manchmal wie die Oma, wenn ich auf die Geburtsdaten der Konkurrentinnen schaue, das könnten meine Kinder sein! Die Arbeit wird professioneller und im Kopf gibt es immer weniger Barrieren. Die meisten trainieren in ganz normalen Vereinen an der Basis und werden dann in den Leistungszentren im Parasport gezielt weiterentwickelt.
Das Thema Doping hat leider auch Einzug in den Para-Sport gehalten. Nervt euch das ständige Gerede darüber?
Andreas: Ich finde es super, dass es so viele Überprüfungen gibt und viel darüber gesprochen wird. Sportler die dopen – die gehen mir auf die Nerven, das hasse ich! Ich brauche doch keinen Wettkampfsport betreiben, wenn ich zu unfairen Mitteln greife. Ich finde, Dopingsünder sollten noch viel härter bestraft werden.
Sabine: Ich stehe für sauberen Sport! Mit Doping fügt man seinem Körper enormen Schaden zu, jeder vernünftige Sportler lässt die Finger davon.
Der gesamte Österreichische Behindertensportverband drückt euch fest die Daumen, danke vielmals für das Interview!
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